Protestantisches Menschenbild und der Bildungsbegriff

Dass das Bildungsangebot der Akademie im kirchlichen Rahmen entstand und besteht, ist kein Zufall. Hier steht die evangelische Seniorenakademie in der Tradition des reformatorischen Menschen- und Weltbildes und der daraus erwachsenden Bildungsnotwendigkeit.
Luther ging in Abgrenzung von der katholischen Kirche davon aus, dass der sündige Mensch in direkter Verantwortung vor seinem Gott steht. Durch die Vergebung in Christus sieht er den Menschen zweigeteilt

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand Untertan.
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann Untertan.“[6]

Der geistliche Mensch ist frei durch den Glauben und bedarf nach Luther nicht der Werke / Leistungen (oder anderer Ideologien). Dies entbindet ihn jedoch nicht, in Nachfolge Christi
Verantwortung und Dienst für den Menschen und den Staat in dieser Welt zu übernehmen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, schufen die Reformatoren geradezu eine „Bildungsoffensive“. Die Bibel wurde ins Deutsche übersetzt, Bücher und Flugblätter wurden zur Propagierung der neuen Ideen benutzt, Schulen wurden nach Beendigung der katholischen Bildungshoheit und ihrer sozialen Begrenzung in kommunale (und protestantische) Hände gegeben. Allgemeine Bildung wurde allmählich zu einem zentralen Bestandteil der Reformation und leitet langsam die Aufklärung ein. Dieser Prozess dauerte, anfänglich blieb man in Lübeck bei den alten Inhalten: Latein, Bibel, Katechismus. [7]


In Lübeck wird dies deutlich an der Umwandlung des Katharinen-Klosters in eine bis heute bestehende Schule. Das erste (!) Kapitel der „Lübecker Kirchenordnung“ von Johannes Bugenhagen von 1531 beschäftigt sich dann auch mit der Ordnung des Schulwesens, in der eine Schule gefordert wird, die folgende Ziele zu verfolgen hat: „Gott zu Ehren, unser Jugend und dieser guten Stadt und anderen Landen und Leuten zu Nutz und Frommen“[8]. Die
Bevölkerung wurde nicht mehr als Objekt des Klerus oder einer Obrigkeit gesehen, sie war nicht mehr auf Heilsvermittlung der Kirche angewiesen, sondern wurde mit der „Freiheit in Christus“ gleichzeitg in eine neue Form der Verantwortung und Teilhabe gestellt

[6] Martin Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520
[7]vgl. Wolf-Dieter Hauschild, Kirchengeschichte Lübecks, Lübeck 1981, S. 197
[8] Lübecker Kirchenordnung von Johannes Bugenhagen, 1531, hrsg. von Wolf-Dieter Hauschild, Lübeck 1981, S.

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Text und Photo: Michael Leberke