Ein Danziger Textilschatz im St. Annen Museum

Strahlende Gewänder nach 300 bis 500 Jahren Dunkelheit – die Danziger Paramente im St. Annen-Museum.
Vortrag von Dr. Dagmar Täube über liturgische Gewänder des Mittelalters


Liturgische Gewänder bilden einen Teil der festlichen Gestaltung, die zu einer mittelalterlichen Messe gehören. Mit ihnen „verwandelt“ sich der Priester vom „Individuum“ zum sichtbaren Stellvertreter Gottes, er wird symbolischer Teil der Liturgie. Mit der Einführung der Reformation war dieses Verständnis obsolet, die liturgische Kleidung überflüssig. In der Danziger Marienkirche wurden wohl an die 1000 wertvolle Gewänder gerettet und geschützt: durch Einmauerung. Entdeckt wurden sie erst ab dem 18. Jahrhundert.

Einen Teil davon rettete Gerhard Gülzow, Pastor an St. Marien in Danzig, später an der Luther-Kirche in Lübeck, auf geradezu abenteuerliche Weise: 103 der wertvollen Stücke vertraute er 1942 Flüchtlingen als zusätzliches „Fluchtgepäck“ an, die auf dem Weg in den Westen waren. Und alle 103 (!) konnte er wieder einsammeln und in Lübeck konzentrieren.

Ihr Wert zeigt sich in den Materialien und ihrer Verarbeitung. Samt, Gold, Seide, anfangs auch Wollstoffe wurden zu kunstvoller Stickerei verwendet, in denen sich das mittelalterliche Weltbild widerspiegelt. Szenen aus der Bibel und Heiligenlegenden dienten als Vorlage, gestiftet von Privatpersonen und Institutionen des Mittelalters. Sie dienten den Personen zum einen als Jenseitsvorsorge, also als Schutz vor dem Fegefeuer, zum anderen natürlich auch zur Repräsentation. Manchmal war es die Farbigkeit der orientalischen Seidenstoffe, die im Vordergrund stand: die leuchtende Kraft des Glaubens sollte deutlich werden und die Farben der Gewänder orientierten sich an denen für das Kirchenjahr. So finden sich – damals unerkannt – auch Lobsprüche auf den Sultan in den orientalischen Mustern.

Als Dauerleihgabe werden die Paramente im St. Annen-Museum gezeigt, wechselnd und mit wenig Licht wegen ihrer Empfindlichkeit, aber jedes Teil leuchtend für sich. Im mittelalterlichen Kloster St. Annen werden sie heute gemeinsam mit den anderen Künsten der Zeit, der Architektur, der Glasmalerei, der Goldschmiedekunst und den Altären präsentiert, denn alle verbindet eine gemeinsame Sprache und sie wurden zu Ehren Gottes geschaffen.

Die Auseinandersetzung mit dem Schatz findet heute mit dem Ziel einer kulturellen Brücke zwischen der UEK (Eigentümer), dem St. Annen-Museum (Leihnehmer) und der Marienkirche in Danzig (für diese wurden die Objekte ursprünglich geschaffen) statt.

Frau Dr. Täube führte mit Bildern und Wissen in diese oft wenig beachtete Welt des Mittelalters kundig ein.

Text und Fotos: / Michael Leberke