Bernd Wienicke stellt die Arbeit der Lübecker „Tafel“ vor
Gesehen haben wir sie schon alle: die Fahrzeuge der „Tafel“; gelesen haben wir auch von der Rettung der Lebensmittel zugunsten der Sozialbedürftigen. Welch logistisches Unternehmen hinter dieser Arbeit steckt, erläuterte anschaulich und lebendig Bernd Wienicke, der vier Jahre lang nach seiner Pensionierung ehrenamtlich 2. Vorsitzende der „Tafel“ in Lübeck war.
Den Kunden der „Tafel“ sieht man in der Öffentlichkeit nicht an, dass sie auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind – nur wenn sie an einer der acht Ausgabestellen Schlange stehen. Nach einer Registrierung, dass sie zu wenig Geld für ihren Unterhalt haben, können sie sich einmal die Woche gegen 1 € „Spende“ Essen abholen, und das im Wert von 30 – 50 €.
Eingesammelt werden die Lebensmittel durch Mitarbeiter der „Tafel“, jeweils drei Personen in jedem der sieben Fahrzeuge, mit denen täglich (!) Supermärkte und Großhändler abgefahren werden. Diese Spenden müssen sortiert und gelagert werden, sie müssen zu den Ausgabestellen gebracht werden, um sie dort portionsweise verteilen zu können. Insgesamt kümmern sich 260 (!) Helfer:innen um diese Arbeit.
Versorgt werden Menschen mit wenig Einkommen und kleinen Renten, Flüchtlinge, Drogenabhängige in „tea und talk“, das Café WuT, die Heilsarmee, selbst Kitas und Schulen. Insgesamt 5762 Kunden im August 2023, mit Angehörigen rund 13.000 Menschen. Eine besondere Steigerung der Bedürftigen ist seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine 2022 festzustellen, da diese Flüchtlinge zusätzlich zu den Essenausgaben kommen.
Schaffbar ist dies nur durch ehrenamtliche Arbeit, die nichts kostet. Lediglich fünf Festangestellte organisieren und koordinieren die Arbeit.
Angewiesen ist die „Tafel“ auf Spenden – nicht nur Essensspenden. Inzwischen werden 18.000 € monatlich benötigt: für Fahrzeuge (von Mercedes gesponsert), Versicherung, Steuern, Sprit, Reparatur, Miete, Strom, Heizung…
960 „Tafeln“ versorgen 2 Millionen Menschen in Deutschland mit!
Die meisten Zuhörer:innen waren angesichts dieser Zahlen und der dahinterstehenden Not, die gelindert werden muss, geradezu sprachlos. In unserem reichen Deutschland ist es für eine so große Zahl von Menschen trotz einer Sozialhilfe nicht möglich, ohne diese Hilfe zu existieren.
Ich halte diese Zustände für einen gesellschaftspolitischen Skandal!
https://www.ardmediathek.de/video/schleswig-holstein-magazin/ein-vierteljahrhundert-sylter-tafel/