„Friede sei ihr erst Geläute.“

Helmut Brauer stellt den Werdegang des St. Mariengeläutes vor.


Brennende Türme und eine zerstörte Marienkirche: Die Photos von Palmarum 1942, mit denen Helmut Brauer seinen Vortrag begann, erschüttern den Betrachter immer noch und in Zeiten des Ukraine-Krieges erst recht. Unmittelbar nach dem Kriegsende begann die gefährliche Sicherung der Kirche – mit Hilfe der Briten, die vorher Lübeck bombardiert hatten. Dr. Klaus Pieper und Dr. Bruno Fendrich leisteten für die Umsetzung das Unvorstellbare: Stämme aus dem Lauerholz für ein Gerüst unter dem Gewölbe und  Rundstahl für Zuganker, um die Stabilität der Kirche zu gewährleisten, konnten mit Hilfe der Briten beschafft und  verbaut werden – die vorher Lübeck bombardiert hatten und jetzt Kulturgüter retteten.

Nur die Glocken jedoch fehlten. Aus ganz Deutschland und den besetzten Gebieten wurden Glocken während des Krieges auf „Glockenfriedhöfen“ gesammelt, um ihr Material zu Kanonen umzuschmelzen. Hierbei handelt es sich jedoch um nationalsozialistische Propaganda, da das Kriegsgerät längst aus Stahl bestand und Bronze dafür nicht benötigt wurde. Den Nazis war die emotionale Bedeutung eines Glockengeläuts und deren Entfernung sehr wohl bewusst. Von 100.000 Glocken des Hamburger „Glockenfriedhofes“ waren 16.000 Glocken noch nicht eingeschmolzen. Dem Danziger Oberkirchenrat Gülzow gelang es, drei Glocken und ein Glockenspiel, die aus Danzig stammten, nach St. Marien zu holen, da sie keinen Eigentümer mehr hatten, nachdem das Gebiet unter polnische Verwaltung gestellt und die evangelische Kirche aufgelöst wurde. Eine vierte Glocke, die Pulsglocke, wurde aus Bundesmitteln durch Bundeskanzler Dr.Adenauer 1951 zur 700-Jahrfeier der St. Marienkirche gestiftet.

34 Jahre blieb es bei den 4 Glocken bis durch Spendenaufrufe drei weitere Glocken in Auftrag gegeben wurden und 41 Jahre nach seiner Zerstörung zu Pfingsten 1985 das Geläut auf die Vorkriegsanzahl von 7 Glocken vervollständigten. Durch eine Spende des früheren Vorsitzenden des St. Marien Bauvereins, Dr. Otte, wurde  2019  das Geläut um zwei  Glocken auf die Anzahl von 9 Glocken erweitert.

Ein Film mit Klangbeispielen aller Glocken schloss diesen informativen Vortrag ab. Bei dem Glocken-Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“ summten die Zuhörer ergriffen mit. Und in Anbetracht des Krieges haben die bekanntesten Glocken Deutschlands, die zerstörten Glocken in der Gedenk-Kapelle im Südturm, mit ihrer Mahnung eine neue Bedeutung: Schillers Wunsch bleibt für die neuen Glocken bestehen: „Friede sei ihr Geläut!“

Zum Hören der Glocken

Foto der Zerstörung aus: Max Hasse, Die Marienkirche zu Lübeck

Text und weitere Fotos / Michael Leberke